Sonntag, November 11, 2007

Filmreif

Vorab eines: wer Dramen mag, die zudem Elemente aus Komödie, Horror und Thriller enthalten, konnte beim Heimspiel gegen Roßbach voll auf seine Kosten kommen.

Zunächst begann der Tag im Ludwigspark wie immer, mit der kleinen Änderung, dass sich viele Zuschauer von den kalten Temperaturen abschrecken ließen und somit nur ca. 3000 Menschen das Spiel im Stadion verfolgen wollten. Hinzu gesellte sich auch eine Busbesatzung aus Roßbach, welche den Gästeblock verschmähte und mit der Haupttribüne vorlieb nahm. Für unfreiwillig komische Einlagen sorgte das Stadionradio, welches öffentlich dem FC Homburg für sein Spiel gegen die Trierer Eintracht die Daumen drückte, dann ein ominöses Auswärtsspiel bei einer "Victoria Worms" ankündigte (wer war nochmal Wormatia?) und dann gar den SV Roßbach/Wied zum "1. FC Roßbach/Wierschied" machte.
Im D-Block war ein leichter Aufwärtstrend an Zuschauern zu verspüren, auch wenn weiterhin große Lücken in dem einstmals geliebten, wie gefürchteten, Block klaffen. Obwohl der Gegner nicht gerade ein Highlight der Oberliga Südwest darstellte, hatte man sich in der Virage Est dazu entschlossen, die bisher aufwendigste Choreographie seit Entstehung der V.E. zu präsentieren.

'fcsross 003' von Carsten_FCS

Dabei waren Frau und Mann gefragt, einerseits an die 70 Papptafeln zum richtigen Zeitpunkt empor zu strecken und gleichzeitig wieder in der Masse verschwinden zu lassen. Flankiert wurde dieses Bild von zwei Überziehfahnen. Nachdem die letzten Instruktionen gegeben wurden und wirklich jeder nun wissen sollte, wie man seine Tafel halten sollte, konnte der Countdown gestartet werden.


Danke an Schwenkbraten.de für dieses Foto!

Damit hatte das Spiel seinen vorläufigen Höhepunkt aus Saarbrücker Sicht gefunden.
Der FCS spielte letztlich zu Beginn weder mit Schug, noch mit Rasp, dafür aber wieder mit Hajdarovic und Stelletta, welcher in den vergangenen Spielen eine einwandfreie Vorstellung zeigte. Überraschend kann man die Berufung Danny Lufts in die Startformation nennen. Dafür musste sich Tim Schwartz mit einem Platz auf der Bank begnügen.
Auf dem Platz bot sich für 45 Minuten eine grauenhafte, fast traurige Vorstellung an. Mit Roßbach hatte man einen Gegner gefunden, der sich spielerisch wohl ein bis zwei Klassen tiefer als der FCS bewegt und nur mit einer gekonnten Mauertaktik zur Wehr setzen konnte. Der Spielaufbau des FCS wurde entscheidend gestört, sodass man Schwierigkeiten hatte, überhaupt erst in Schussposition zu kommen. Zudem hatte das Mittelfeld nicht seinen besten Tag und produzierte häufig Fehlpässe. In der 23. Minute gab es erstmals wirkliche Aufregung, als Michael Krüger eine strittige Situation im Strafraum der Gäste als Elfmeter reklamierte. Der Schiedsrichter sah die Sache anders. Die Nerven lagen blank, da nicht das erlösende 1:0 fallen wollte. Die beste Gelegenheiten hierzu hatten Mike Frantz per Kopf und Charles Haffner mit einem Schuss aus mittlerer Distanz.

Nach 37 Minuten geschah dann das unfassbare, das unvermeidbare 0:1. Eine Flanke fand genau den Kopf von Thomas Kahler, welcher die Abstimmungsprobleme zwischen Rouven Wiesner und Pascal Formann für sich ausnutzen konnte. Große Ernüchterung machte sich nun breit. Im direkten Gegenzug hätte der FCS mit einer artistischen Einlage ausgleichen können, jedoch wurde diese Chance vom Gästekeeper zunichte gemacht. Bei einer Ecke für die Gäste kurz vor der Halbzeit wäre es dann fast zum vorzeitigen K.O. gekommen. Pascal Formann entschied sich gegen ein Herauslaufen, obwohl der Ball am Fünfmeterraum landete. Mit einer Blitzreaktion konnte er den vorherigen Fehler ausgleichen. Ein gellendes Pfeifkonzert begleitete die Spieler in die Kabine (wohlgemerkt, der FCS ging zum ersten Mal in dieser Saison zuhause mit einem Rückstand in die Kabine!).

Auf den Rängen änderte sich nicht wirklich viel im Gegensatz zu den vorherigen Spielen nicht wirklich viel, außer dass der seit Wochen schwankende D-Block wieder einen leichten Aufwärtstrend vermelden kann. In der zweiten Halbzeit wurde es im weiten Rund wesentlich lauter und vor allem spielbezogener. Und das geschah aus gutem Grund.

Nach dem Seitenwechsel hatte man das Gefühl, sich in einem komplett anderen Film zu befinden. Während der FCS nun seine Überlegenheit deutlicher zeigte und das Spiel in die gegnerische Hälfte verlagerte, wurde man nun darüber aufgeklärt, wie der SV Roßbach/Wied es immer wieder schaffte, die "Großen" zu ärgern: mit schauspielerischen Glanzleistungen und exzessivem Zeitspiel.
Exemplarisch konnte man dies am grandios auftrumpfenden Roßbacher Schlussmann beobachten. Dieser zeigte sein ganzes Können, als er den Ball per Abschlag ins Seitenaus beförderte und wie vom Blitz getroffen zu Boden ging, um sich von einer Betreuerin behandeln zu lassen. Die Aktion wurde vom aufgebrachten Publikum mit wütenden Pfiffen quittiert, während Julien Humbert in Anerkennung des schauspielerischen Könnens des Torhüters applaudierte. Später bürgerten sich beim Gästewortwart und dem Siebener ein merkwürdiger Ritus ein. Bei jedem Abstoss schien es zunächst, als sollte der Feldspieler diesen ausführen (was eine schlechte Idee war, da er jeden Ball zielgenau in Richtung Trainerbank zirkelte). Dann lief besagte Nummer Sieben eilig aus dem Strafraum und bekam den Ball kurzerhand vom Torwart zugespielt. Was der geneigte Zuschauer "Zeitspiel" nennt, wurde irgendwann vom Schiedsrichter mit dem Gelben Karton belohnt. Warum er danach nichts mehr gegen dieses Zeitspiel unternahm, bleibt wohl sein Geheimnis.

'fcsross 008' von Carsten_FCS

Mit der Einwechslung von Manuel Rasp gewann das Spiel des FCS deutlich an Fahrt, die Chancenverwertung blieb jedoch mangelhaft. Viel zu oft wurde auch durch zögerndes Handeln die Chance auf Treffer verschenkt. So wurde kein einziges Mal ein Weitschuss ausprobiert, obwohl der Gästekeeper ständig weit vor seinem Kasten stand und auch bei schnellen Kontern des FCS nur sehr behäbig in sein Tor zurückkehrte. Nazif Hajdarovic hätte sich wohl ein besseres Comeback gewünscht, da er vor allem unter technischen Mängeln zu leiden hatte.
Zehn Minuten vor Schluss war es dann der Spieler, von dem man es überhaupt nicht erwartet hätte, welcher den 1:1-Ausgleich köpfte: Danny Luft. Sein erstes Saisontor sollte zumindest das Gesicht gegen Gäste wahren, die absolut nichts von dem zeigten, was den Fußball so schön macht.

Mit dem Schlusspfiff tat sich vor allem die Roßbacher Nummer Drei noch mit einer unglaublich gedankenlosen Aktion provozierend hervor, indem er vor dem D-Block auf die Knie sank und in Richtung Fans gestikulierte. Es gleicht einem Wunder, dass niemand der mitgereisten Spieler zu einem ernsthaften Schaden kam. Die Spieler vom Dorfe müssen noch sehr viel Lernen, wie man sich vor einer Kulisse von mehreren tausend Leuten zu benehmen hat, wenn sie nicht direkt deren Zorn und Wut auf sich ziehen wollen.

Der FCS muss allerdings auch noch lernen, dass die Oberliga kein Selbstläufer ist und dass eine Großzahl von Torchancen nicht automatisch viele Tore bedeutet. Filmreif war an diesem Tage das Spiel des FCS keinesfalls, allenfalls der Gästetorwart sollte über eine zweite Karriere im Showbusiness nachdenken. Vinnie Jones und Eric Cantona haben es vorgemacht, auch wenn die wohl niemals daran gedacht hätten, sich derart theatralisch Boden zu werfen.

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